LebensTraum

Nachdem wir zum allerersten Mal ganz alleine für die Kochgruppe in den Riesentöpfen gekocht haben, fragt mich Reinhard ob ich über die Eindrücke Einer frisch eingezogenen schreiben will. Ich halte mich fest an meiner Kochschürze, meine Finger rotgefärbt von den roten Rüben und überlege kurz, ob ich schon weiß wie sich das anfühlt, dieser Lebens(t)raum. Und ich erinnere mich plötzlich, wie ein paar Minuten nach unserer Ankunft, nachdem wir das erste Glas Brunnenwasser getrunken haben, derselbe Reinhard aus der Küche kam und uns fragte: „Wollt ihr Gulasch?“

Es fängt gut an – hab ich mir gedacht.

Nach einem Sommermonat unterwegs auf Reisen, fahren wir mit einem ausgeborgten Auto auf der Westautobahn Richtung Osten. Hinten in einem wackeligen Anhänger Schätze unseres bisherigen gemeinsamen Lebens, thematisch in Bananenschachteln sortiert. In mir ist es noch da, dieses Spätsommergefühl von Reisen ins Unbekannte.

Auf dem Weg vom Gulasch zur Wohnung begegnen wir unserer neuen Nachbarin Anna an ihrem dritten Geburtstag. Sie ist schön mit Ihrer Krone!

Es ist bereits Abend. Unsere Vormieter haben keine Glühbirnen in der Wohnung gelassen. Es riecht nach Bodenöl. Wir bewandern und durchschreiten die leere Wohnung: rauf, runter, raus, rein- fein! Ein Glas Wein?

Trinkwasser vom Brunnen holen und erlauben, dass dabei was passiert. Tauschen, lauschen ...

Ich lese noch einmal das Infoschild auf der Eingangstür: “Co-Housing : Siedlung mit aktiv gelebter Nachbarschaft” und möchte das sofort ausprobieren. Jetzt sind wir doch gerade “Nachbarn in Not”.

Während David im Obergeschoß unser Bett baut stehe ich unten in der Küche und schreib alles auf, was mir einfällt an nicht auffindbaren und dringend benötigten Sachen und stelle mir vor etwa so zu fragen: "Hallo, ich bin Szende, die Neue. Hast du vielleicht: ein Ei, Nadel, Bohrmaschine, Schöpfer, Spachtel, Klopapier, Handy-Ladegerät, Brot, Glühbirne, Zeit ... Lust ..."

Ich probiere es gleich nebenan.

Schritte der Eingewöhnung.

September. Wände ausgemalt, kräutergrün (Farbe von den Nachbarn). Kleinkindergruppe entsteht. Fabio klopft an und spielt uns was auf seiner Spielgitarre vor. Die Emilia bringt uns von ihren “Radlreisen” kurze Gangnachrichten heim. Wir lernen Pferde, Ziegen und immer mehr Nachbar kennen.

In einer der ersten Nächte, Gangfinsternis. Ich bin müde und öffne die Wohnungstür. Es ist ganz ruhig und riecht anders als bei uns. Wo bin ich hier? Eine Uhr zeigt mir in roten Zahlen: 23:11. Wir haben keine elektrische Uhr... Schnell raus und zur richtigenTür... So besuchte ich zum ersten mal unsere Nachbarn.

Oktober. Wir wollen Hühner. Andere auch. Es kommt ein spannendes Hühnertreffen zu stande. Physalisernte. Einzugsfest mit Feuertonne im Garten, Schokobrunnen auf der Terrasse und vielen Gästen. Wir fühlen uns willkommen.

November. Emilias Geburtstag in Gemeinschaftsraum, viel Freude, Freunde, Schaukelpferde. Abendessen bei Nachbarn.

Dezember. Abendessen bei Nachbarn. Jurtenfest mit Adventsingen. Betreuung der Nachbarskatze. Kekstausch. Freiluft – Tanzrausch. Spannend-schön.

Wir fahren über Weihnachten weg, nach Rumänien. Im Zug klingelt das Telefon, Alex. Licht im Bad vergessen. Er weiß, wo der Schlüssel ist...

Szende