Relationale Ökonomie

Eine Ökonomie die auf Beziehungen aufbaut unterscheidet sich wesentlich von jener die auf Verträgen fußt. Erstere ist die primäre und gründet sich auf authentische Beziehungen, die andere führt allzuhäufig in smarte Übervorteilung, Wettstreit, Konkurrenz und anonymer Sicherheit in Form von elektronischen oder papierenen juristischen Verträgen.

Anfang des Monats haben wir unsere Photovoltaikanlage in Betrieb genommen und man hat den Stolz bei einzelnen Nachbar:innen über den großen gemeinsamen Sprung vorwärts in Sachen nachhaltiger Energieerzeugung bemerkt. Bemerkenswert ist jedenfalls der Weg zum neuen Schmuck unserer Carportdächer gewesen.  

2020 gab es die ersten nennenswerten Bemühungen Schwung für diesen Sprung aufzunehmen. Anfangs noch mit dem wenig überzeugenden Argument der Energieautarkie. Denn die Autarkie ist für die Bewohner des Universums eigentlich eine Schimäre. Selbst Heliumkernen war es zum Glück nicht möglich der Kernfusion zu widerstehen und die daraus entstandenen Elemente wurden nach und nach zur Grundlage dafür, dass Planeten und später sogar Lebewesen entstehen konnten. Alles ist relational im Universum und langsam sickert der Gedanke einer gegenseitigen Abhängigkeit angesicht der Erderwärmung sogar in größere Dickschädel ein.

Die gesetzlichen Grundlagen für die Errichtung einer gemeinsamen Photovoltaikanlage sind nicht auf Anhieb zu verstehen und so bemühten sich ein paar Menschen in der Siedlung das juristische Mysterium zu begreifen und erkannten, dass auch Jurist:innen das relationale Wesen des Universums in einen Gesetzestext gießen können. 

Photovoltaikanlage auf den Carportdächern der Siedlung
Die Allermeisten jedoch haben wohl diesen Wenigen vertraut oder haben sich dem in einer Vereinssitzung zum Thema Photovoltaikanlage geäußerten theologischen Argument "Gott will es" ehrfürchtig angeschlossen. Einige sind ihrem Instinkt gefolgt, oder haben die Dinge einfach laufen lassen und sind mitgelaufen. Vielleicht haben ein paar auch nur ein monetär lohnenswertes Investment gewittert, jedenfalls aber haben sich 41 der 42 erwachsenen Nachbar:innen mit Beträgen zwischen 150€ und 5.100€ an der Finanzierung beteiligt und vertraut dass das knapp 33.000€ teure Projekt gut abgewickelt wird.

Das ist erstaunlich, weil Vertrauen dieser Tage zur Mangelware verkommt - man denke nur an all die Menschen, die der Corona Schutzimpfung nicht vertrauen, an jene bei denen die Korruption im Land Übelkeit verursacht oder die sich vor einem scheinbar über Nacht tollwütig gewordenen russischen Bären ängstigen. 

Mit einer Rechtsschutzversicherung kauft man sich ein Gefühlchen Geborgenheit, teure, weil juristisch ausgearbeitete Verträge, vermitteln Sicherheit und wir nehmen Transaktions- oder Manipulationsgebühren hin, weil sie Zuverlässigkeit versprechen. Wenn wir weiterhin brav dem Pfad der Vertragswirtschaft folgen, dann können wir bald sorgenfrei in den virtuellen Räumen eines Metaversums wandeln, von dem manche bereits ganz konkrete Vorstellungen haben und meinen das sei die Zukunft.

Die Beziehungswirtschaft dagegen ist eine körperliche, wo ein Antlitz in das andere schaut um etwas Solides zu entdecken. Sie ist bei weitem nicht so flink wie das Virtuelle und mit enormen Zeitaufwand verbunden damit die notwendige Qualität eines tragfähigen Beziehungsgeflechts ensteht, auf das man sich verlassen kann. In so einem soziokulturellen Umfeld genügt ein Aufruf und ganze, nicht bloß körperlich amputierte, virtuelle Menschen stehen einem hilfreich beiseite. 

Die Photovoltaikanlage ist ein Symbol dafür, dass wir etwas gewagt und uns bemüht haben, um zu Vormündern unserer gemeinsamen Zukunft zu werden.