Turnverein der Zukunft

Ein Gemeinschaftsprojekt, so behauptet der Artikel ist ein körperlicher, emotionaler und geistiger Turn- und Übungsverein für den neuen Menschen.

Zunächst muss hier kräftig gepaddelt werden, damit der Begriff "neuer Mensch" in das richtige geistige Fahrwasser gerät und nicht etwa mit dem missratenen kommunistischen Begriff des neuen Menschen verwechselt wird. Dieser mündete in einen toten Seitenarm der Geschichte, weil eine philosophische Idee in ein industriell entgleistes Menschenbild abdriftete, das von einer ideologisch und politisch verblendeten Politikerkaste brachial vorwärts geschoben wurde. Wer sich dem Diktat des neuen kommunistischen Menschenbilds nicht unterwarf oder in Verdacht gerat, der wurde liquidiert oder den Gulag zur Umerziehung überstellt.

Das gibt es hier in unserem, wie den meisten übrigen zeitgenössischen Projekten nicht. Und doch wird man hier irgendwie erzogen oder entzieht sich der Enkulturation durch Auszug. Worin bestehen nun die Übungen, mit denen man zu jener Fitness gelangt, um sich in Gemeinschaftsprojekten wie ein Fisch im Wasser zu fühlen? Im Wesentlichen handelt es sich dabei um turnerischen Tugendübungen, die auch maßgeblich dafür sind, geopolitisch und klimatisch den Turnaround zu schaffen: Durch Überwindung der Ich-Illusion, der Abkehr vom Freud/Feind- und Gewinn/Verlust-Denken, hin zu einer Wahrnehmung der Welt als eine offene Gemeinschaft zwischen Menschen, Tieren, Pflanzen und Materie. Diese Perspektive erzeugt eine Wettbewerbskultur, in der Leistungen nicht ausschließlich um den eigenen Vorteil willen gezeigt werden, der Sieg nicht durch die Schwächung eines Konkurrenten erreicht wird, sondern durch Stärkung seiner selbst und der Anderen. Und damit stehen diese Tugendturnübungen nicht nur einem aufoktroyierten kommunistisch abgedunkelten Fitnessprogramm entgegen, sondern auch der turbokapitalistischen Übungsprogramme, die uns mit ihrer rasanten Beschleunigungsphantasie immer an den Rand des Burnouts katapultieren. 

Man muss den Weg der Lauterkeit beschreiten und hier klarstellen, dass es keine leichten Übungen sind. Sie erfordern den Mut das Ungewisse eines intensiveren sozialen Lebens zu schultern und hin und wieder erlittene vorübergehende psychischen Blessuren im sozialen Turnsaal tapfer und ohne Ressentiments zu ertragen. Dort wo sich Menschen versammeln um am Gemeinsamen zu arbeiten, gesellt sich der Streit wie ein Naturgesetz hinzu. In Gemeinschaftsprojekten, wie im politischen Makrokosmos herrscht Ringkampfatmosphäre, um gemeinsam herauszufinden, was das Beste für alle ist. Dabei müssen faire Wettkampfregeln beachtet, alle Stimmen gehört, aber auch gewichtet werden. Es gibt - und das hört der moderne emanzipierte Mensch nicht gerne - Abstufungen im Urteilsvermögen, wenn es darum geht, zu erörtern was das Beste für die Gemeinschaft von Menschen, Tieren, Pflanzen und der Erde ist. Dem Logos zu folgen heißt fast immer auch seine eigenen Ich-Grenzen zu überwinden und zu erweitern, wenn sich herausstellt, dass sie für ein gemeinsames Ziel hinderlich sind, oder die Anderen für die bessere Idee noch nicht bereit sind. Diese turnerische Höchstleistung wird von den Gemeinschaftsathleten verlangt. Belohnt werden sie nicht mit Bewunderung, güldenen Medaillen oder Millionengagen, sondern mit der harten Währung der Freundschaft und Solidarität und dem Gefühl sich auf der Erde und im Gemeinschaftsprojekt wohlzufühlen. Diese Lorbeeren winken jenen, die Anstrengungen unternehmen um das eigene Leben aus der Verkapselung zu befreien und dabei Blessuren riskieren.

Diese allmähliche Transformation des Menschen zur Lebensmeisterschaft braucht Zeit und persönliche Schutz- und Rückzugsräume. Moderne Kommunen haben gelernt, Zeiten des Rückzugs aus der Gemeinschaft zu respektieren und fassen den Rückzug oder die Langsamkeit nicht als prinzipiellen Affront gegen das Gemeinsame auf. Ihre Hände bleiben immer ausgestreckt, um Andere einzuladen, von ihnen zu lernen und sie zu ermuntern gemeinsam das Fest des Lebens zu feiern.