Das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang

Das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang 

Lyrik zum 20 Jahresfest der CoHousing-Siedlung Lebensraum

 

Vor Jahrzehnten begann das schrecklich Schöne.

Wie Liebende einander trinken,

berauschten uns gemeinsam Töne,

lassen´s Ich ins Kollektiv einsinken.



Meist wirkt´s wie eine trüb´Mixtur,

das ist das Los der Erdenwesen,

stets bleiben Schwebstoff und Blessur –

Ach! Liebende sich nie auflösen.



Die kollektive Trunkenheit braucht Macher,

wenn auch vernarbt mit krummer Nas.

Ganz anders als bei Rintersbacher1,

lobt mancher den absurden Spaß.



Ein Feuer brennt im Privatissimum,

doch selten wirklich hell und hitzig.

Der Kaderschmied nutzt das Kolloquium,

der Unterschied, der ist nicht winzig.



Sechsundsiebzig Spiegel erhellen die Räume,

beleuchten Fehler und mahnen zur Wendung.

Für´s aparte Eigenheim sind das nur Träume

dort entkommen die Makel der Pfändung.



Wenige, der in Gemeinschaft erhitzten Gemüter,

sind Akrobaten, übend auf dünnem Teppich im All,

sie haben den Willen zur Haltung, sind Hüter,

mit Hang zur Artistik und stehen endlich – beim Aufprall.



Ein rasch welker Lorbeerkranz winkt den Wenigen

unter Rintersbachern und Gemeinschaftstrunkenen dieser Welt.

Sie haben Ehrgeiz; wollen ihr Leben nicht weiter beengen,

und tauchen zitternd die Ich-Illusion in das Schöne – fast wie ein Held.

 

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1 Name des damaligen Geschäftsführers der Baugenossenschaft, die das Projekt errichtete. Dieser war skeptisch gegenüber der gemeinschaftlichen Wohnidee und fand sie beinahe tollkühn.